Zu Gast bei: FC Eisenach – FSV Martinroda // Thüringenliga // 17.06.2017 // Endstand: 2:5
Es weht ein Hauch “Wilder Westen” durch den Osten. Das mag ungewöhnlich klingen, gibt aber mein Gefühl wieder, wenn ich vor der gelblich-holzvertäfelten Haupttribüne mit den hellbraun angestrichenen Pfeilern stehe. Das Ganze erinnert irgendwie an die Fassade eines Western-Saloons. Fehlen bloß noch die Schwingtüren. Trotzdem ist es nicht so, dass das ganze Wartburgstadion eine komplette Cowboy-Einrichtung ist. Vielmehr ist es ein aus verschiedenen Stilen zusammengewürfeltes Sportbauwerk.
Geschätzt eine Achtel-Kopfdrehung neben der Haupttribüne ragt der Kampfrichterturm in den Himmel auf. Aus massiven Steinen gemauert erinnert der Turm eher an Bauwerke aus den 1930ern, in Teilen auch an Nazi-Architektur. Und das obwohl das Stadionbauwerk erst 1955 eingeweiht wurde. Beeindruckend ist es allemal.
Etwas wehmütig schaue ich auf die unter dem Turm gelegenen Stehstufen. Warum wehmütig? Weil sie nach ein paar Metern einfach aufhören und in den Graswall münden, der den Großteil des Stadions umgibt. Die Stufen deuten also an, dass sie einst das ganze Spielfeld umrundet haben. Und sie deuten an, dass auch einmal mehr als die heute üblichen 150 Zuschauer in die Katzenaue kommen. Etwa 1967, als 14.000 Zuschauer von den Rängen das Spiel der B-Nationalmannschaften der DDR und Ungarn aufeinandertrafen. Als die A-Nationalmannschaft der DDR 1971 den Irak mit 11:0 besiegte, waren 9.000 Zuschauer im Wartburg-Stadion.
Vor der Wende 1989 beheimatete das Wartburgstadion die BSG Motor Eisenach. Der Fußballverein stand unter der Trägerschaft des Eisenacher Autombilwerks. Die Eisenacher Fußballer schienen sich aber lieber im Fahrstuhl fortzubewegen. Diverse Male ging’s für die Thüringer zwischen zweitklassiger DDR-Liga und Bezirksliga auf und ab. Am Ende steht die BSG Motor auf Platz 54 (von 199) der ewigen DDR-Ligatabelle.
Wer sich den Eisenacher Fußball einmal anschauen will, sollte sich vorher Zeit für die Wartburg und die historische Altstadt nehmen. Beide Orte sind sehr sehenswert und geben lebhafte Einblicke in die Geschichte der Stadt.
Vom Abend- und Nachtleben sollte man sich leider nicht allzu viel erwarten. Die Stadt scheint doch alles in allem ein recht verschlafenes Nest zu sein. Wir hatten unsere liebe Mühe, ein Restaurant zu finden, das uns nach 21 Uhr noch was zu essen macht.
Daher sollte man sich bei einem Besuch eher auf Kultur und Natur fokussieren. Eisenach liegt malerisch im Tal zwischen Thüringerwald, Werrabergland und den Hörselbergen. Von vielen Seiten findet man schöne Aussichtspunkte, von denen man oft über die ganze Stadt schauen kann. Wer auf schöne Ausblicke steht, wird sie hier in Fülle finden.
Geschichtsinteressierte werden nicht nur auf der Wartburg ihre Freude finden. Sondern auch an vielen Stellen in der Stadt. Vieles erinnert an Reformation und Bauernkriege. Ich selbst bin nach meinem Spielbesuch mit meinen Mitfahrern unverhofft in die Theater-Nachstellung einer Bauernkriegsszene geraten und ehe ich mich umgeschaut habe, hatte ich schon eine Sichel in der Hand, verbunden mit Aufforderung: “Wenn die Menge johlt, dann johl einfach mit!” Die spontane Teilnahme am Bauernkrieg hat den Besuch in Eisenach auf lustige, wie interessante Weise abgerundet.
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