Zu Gast bei: SC 1960 Hanau – 1. FC Hanau 1893 // Herbert-Dröse-Stadion // Verbandsliga Hessen-Süd // 1400 Zuschauer // Endstand 2:3
In Hanau stieg weißer Dampf auf. Nicht etwa, weil dort ein neuer Papst gewählt wurde. Nein, weil sich dort ein Fußballereignis zugetragen hat, dass für einige Hanauer eine ebenso große Bedeutung hatte, wie für gläubige Katholiken die Wahl ihres Oberhauptes. Das Hanauer Stadtderby. Der weiße Dampf war Shishaqualm. Und ebendiese Rauchgefäße wurden vor Spielbeginn an die Zuschauer verliehen. Die machten davon rege Gebrauch, nahmen sie mit auf ihre Tribünenplätze und qualmten, was das Zeug hielt. Das war für den ein oder anderen Fan auch bitter nötig, denn das spannende Hanauderby war nichts für schwache Nerven. Und ein Zug an der Wasserpfeife soll ja bekanntlich entspannend wirken.
Es war eine tolle Kulisse in einer beeindruckenden Arena. 1400 Zuschauer haben sich im Herbert-Dröse-Stadion eingefunden, um das Derby zwischen dem SC 1960 Hanau und dem Aufsteiger 1. Hanauer FC 1893 zu schauen. Für ein Verbandsligaspiel, also ein Match der sechsten Liga, eine ganze Menge Holz. Bei dem Spiel passten aber alle Vorzeichen. Die Vorfreude auf ein länger nicht mehr gespieltes Derby, Saisonauftakt für beide Mannschaften und ein Wetter, das für ein Fußballspiel besser nicht sein kann. Sie nannten es „El Maximo – mehr Fußball geht nicht in Hanau“. Ein zunächst etwas hölzern klingender Slogan für ein Fußballspiel. Aber er wurde mit Leben gefüllt. Nicht nur auf dem Rasen. Auch auf den Rängen.
Begleitet wurde das Spiel vom für Sechstligaverhältnisse hervorragenden Support der 1893-Anhänger. Mit zwei riesigen Schwenkfahnen und einer vielfältigen Zaunbeflaggung vor der Haupttribüne haben die 1893er dem Spiel einen optisch ansprechenden Rahmen gegeben. Die Gastgeberfans waren mit einer Trommel dabei, haben aber nur sehr situativen Support geliefert.
Das „Maximo“ war nichts für Menschen, die ihre Halswirbelsäule schon sollen. Zu schnell ging es hin und her. Zu oft musste man den Kopf von links nach rechts und zurück wenden. Die Torfolge: 1:0, 1:1, 2:1, 2:2, 2:3.
Das Herbert-Dröse-Stadion war also die Bühne, auf der das Drama „Maximo“ aufgeführt wurde. Von besonderer Ästhetik zeugt die freistehende Gegengerade. Die reine Stehplatztribüne ragt steil auf und wird von unten nur von einer Betonkonstruktion gestützt. Ein toller Ort, um ein Fußballspiel zu verfolgen. Die Haupttribüne auf der anderen Seite ist ein schönes Gegenstück dazu. Das überdachte Bauwerk ist mit Holzsitzbänken ausstaffiert. Die gegenüberliegenden Tribünenbauwerke werden auf beiden Hintertorseiten von Stehplatzkurven verbunden. Die untergehende Abendsonne hüllte das Stadion in ein warmes Licht. Eine wahrhaft tolle Kulisse.
Hanauer Fußball war mal eine ganz große Nummer. Die Geschichte von der vergessenen Meisterschaft ist in Hanau eine vielerzählte. Als der Fußball noch nicht vom DFB organisiert wurde, kickten die 1893er um die deutsche Fußballmeisterschaft mit. Die wurde damals vom Fußball- und Cricketverband ausgerichtet. Die Hanauer erreichten sogar das Finale und sollten dort gegen Viktoria 1889 Berlin antreten. Das Finale sollte nach dem Willen des Cricketverbandes aber an deren Hauptsitz in Berlin stattfinden. Für die Reise fehlte den Hanauer allerdings das Geld. So gaben sie den heute als inoffiziell geltenden Meistertitel kampflos an die Berliner ab. Dieses Meisterschaftsfinale wurde symbolträchtig im Jahre 2007 in Hin- und Rückspiel nachgeholt. Der heutige Regionalligist Viktoria Berlin war da aber ein überlegener Gegner, gewann 3:0 und 1:1. Noch heute wird der Kult um 1893 gepflegt und zwar von einer sehr aktiven, alternativen Fanszene. Die haben sich auf ihrem ausbaulosen Sportplatz eine Tribüne aus Bierkästen gebaut. Sehr erfinderisch und kreativ also.
Der SC 1960 Hanau, in den letzten Jahren die Nummer 1 im Hanauer Fußball, ist ein Verein, der von Kurden gegründet wurde. Auch heute noch spielen überwiegend Akteure aus diesem Kulturkreis für 1960. Das merkt man auch beim Stadionbesuch. Der Besuch im Dröse-Stadion ist echt anders. An vielen Stellen erfrischend anders. Zusätzlich zur Stadionwurst gibt es leckere Köfte mit Fladenbrot. Aus den Lautsprechern dröhnt arabisch klingende Musik (sorry, dass ich das nicht besser einschätzen kann). Und die Shishas kamen auch nicht von ungefähr. Ein Besuch beim SC 1960 ist rundum ungewöhnlich. Alles in allem aber sehr angenehm.
Es war ein sehr stimmungsvoller Abend, bei dem alles gepasst hat.
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