VfR Bürstadt will um Tribüne kämpfen


Es war eine traurige Nachricht für Freunde der Fußballkultur. Die altehrwürdige Tribüne des Robert-Kölsch-Stadions soll abgerissen werden. Das war die einhellige Meinung des Haupt-und Finanzausschusses der Stadt. Hintergrund: Mit Fördermitteln aus der Dietmar-Hopp-Stifung soll auf dem Stadiongelände ein neuer Sport- und Bildungscampus entstehen. Das Areal, das der Stadt gehört, soll dazu umgebaut werden und unter anderem um einen Kunstrasenplatz und ein Bildungsgebäude erweitert. 

Und ebendieses Bildungsgebäude soll nach den Plänen der Stadt auf dem Platz erbaut werden, an dem aktuell die stolze, aber auch sanierungsbedürftige Tribüne steht. Ein Abriss, so die Berechnungen, sei deutlich günstiger, als eine Sanierung. Das Bauwerk sei nur noch “eine historische Reliquie”, sagte Alexander Bauer (CDU) nach der Ausschuss-Sitzung. Trotzdem: Dem Stadion würde sein Herzstück genommen. Der VfR Bürstadt würde ein Bauwerk verlieren, das immer wieder viele Fußball-Interessierte aus der ganzen Republik anlockt. Der Verein gibt die Tribüne aber noch nicht verloren. Ein Gespräch mit Klaus Gassert, dem Vorsitzenden des VfR Bürstadt.



Herr Gassert, wie haben Sie die Beschlüsse des Bau-Ausschusses aufgenommen?

Wir sind da schon enttäuscht. Das ist gar keine Frage. Wir waren auch schon etwas vorbereitet, weil man ja immer mal zwischendurch was hört, wie die gesamte Situation ist. Aber wenn man dann auch offiziell gesagt bekommt, dass die Tribüne abgerissen werden soll, dann ist schon eine gewisse Enttäuschung da. Diese Tribüne ist ein gewisses Merkmal, das hier schon seit mehreren Jahrzehnten steht und den richtigen Stadioncharakter ausmacht. Natürlich wird die Tribüne in der Klasse (Kreisoberliga, GH), in der wir derzeit spielen, nicht optimal genutzt. Da sind an den Spieltagen keine 1.000 oder 2.000 Zuschauer mehr da, so wie das früher war. Aber die Tribüne wird nach wie vor bei jedem Spiel genutzt. Natürlich ist sie nicht voll bei ihrem Fassungsvermögen von 700 Zuschauern. Da kann man natürlich auch verstehen, wenn bemängelt wird, dass sie nicht optimal genutzt wird. Aber trotzdem: Es ist ein ehrwürdiger Bau und der gehört einfach zum Stadion dazu. Das ist unsere Überzeugung vom geschäftsführenden Vorstand. Und wir werden auch weiterhin drum kämpfen, eine Lösung zu finden, um einen gewissen Erhalt zu realisieren.

Wie stehen denn die Menschen im Verein zu den Beschlüssen?

Das ist ganz einfach in einem Satz gesagt: Jeder ist enttäuscht. Jeder, egal ob alt oder jung, sagt: Ihr müsst da was tun. Versucht alles mögliche, damit die Tribüne erhalten bleibt. Weil es ganz einfach auch ein gewisses Gewohnheitsbild ist.

Was sind denn nun die Probleme an dieser Tribüne? Was müsste gemacht werden?

Es geht praktisch von oben los mit dem Dach. Das müsste komplett neu aufgelegt werden. Die Stahlkonstruktion muss erneuert werden. Dann müsste bei den Brandschutzmaßnahmen nachgebessert werden. Die Fluchtwege sind angeblich zu eng. Auch da müsste etwas getan werden. Auch der Unterbau mit den Räumlichkeiten müsste komplett saniert werden. Da kommt schon einiges zusammen, was natürlich entsprechend Geld kostet. Das sind natürlich Argumente, die uns in all den Gesprächen klar vorgelegt wurden, dass das keinen Sinn mehr hat, diese Tribüne zu erhalten.

Aber trotzdem: Sie wollen kämpfen. Was haben Sie vor?

Wir sind jetzt schon in der Überlegung, was wir weiter an Argumenten bringen können. Wir werden kurzfristig mit den politisch Verantwortlichen nochmal reden und werden auch unsere Vorstellungen dort kund tun. Und dann muss man mal sehen, was dabei heraus kommt, ob wir Erfolg haben und das ein oder andere vielleicht doch noch retten können. Damit man auch in Zukunft hier in dem neuen Sport- und Bildungscampus überdachte Sitzgelegenheiten hat. Es können ja auch teilweise andere Veranstaltungen, wie Konzerte hier stattfinden. Da wären dann Sitzmöglichkeiten auch wichtig.

Das Robert-Kölsch-Stadion ist ja auch ein beliebtes Ziel für Groundhopper aus allen Landesteilen. Bei denen würden Sie demnächst in lange Gesichter schauen, wenn die Tribüne nicht mehr da ist.

Ja das ist richtig. Ich weiß nicht ob das Zufall ist. Aber wir haben immer wieder Besucher von weiter weg, viele Groundhopper. Die waren immer ganz begeistert von der Anlage, natürlich insbesondere von der Tribüne. Und dann kam auch immer mal das Thema Abriss auf. Und bei dem Wort allein hat Jeder nur den Kopf geschüttelt. Es gibt auch aus den Zeiten, in denen wir noch in der Oberliga Hessen gespielt haben, ehemalige Spieler, die sich an den VfR Bürstadt erinnern. Ob das Spieler sind vom FSV Frankfurt oder von Hessen Kassel. Das waren ja immer heiße Derbys. Und auch diese Spieler von damals, die schütteln nur den Kopf beim Thema Abriss. Die fragen: Wie kann man sowas machen? Ich erkläre denen dann: Das ist jetzt der Sachstand. Wir müssen das erstmal so annehmen. Aber, ich wiederhole mich: Wir werden kämpfen bis zum Schluss, um noch etwas zu erreichen.



Wie sehen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Argumente auf die Entscheidungen der Politik noch Einfluss haben?

Ich sage das jetzt rein diplomatisch: 50:50. Aber es wird gekämpft, das steht fest. Die Entscheidung ist bei uns im geschäftsführenden Vorstand schon gefallen. Wir werden nochmal sportlich angreifen. Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, dass die Tribüne in Teilen in das neue Bildungsgebäude integriert wird. Da gibt es aus architektonischer Sicht bestimmt Möglichkeiten.

Für was genau kämpfen Sie? Was verbinden Sie denn ganz persönlich mit diesem Bauwerk?

Es ist ganz einfach, dass so eine Tribüne hier im Sportkreis Bergstraße einzigartig ist. Diese Tribüne bestimmt den Charakter dieses Areals hier. Natürlich verbinde ich hiermit auch eine Tradition, die ja schon länger zurück liegt. Aber der VfR Bürstadt hat auch heute noch einen gewissen Zuspruch. Und es macht einfach vom Bild her einen ausgezeichneten Eindruck.

Sie sprechen die Tradition an. Welches konkrete Ereinis verbinden Sie mit dieser Tribüne?

Das ist ganz einfach zu beantworten. Das war 1984. Ich hab damals noch extra ne Flugreise für ein Spiel unternommen. Das war das letzte Spiel in der Aufstiegsrunde zur zweiten Bundesliga. Da haben wir hier gegen 1860 München gespielt. Wir haben mit 4:0 gewonnen. Zu dem Zeitpunkt war ich gerade eigentlich im Urlaub in Südspanien. Und ich bin dann mit einem anderen VfR Bürstadt-Fan extra mit dem Flugzeug nach Frankfurt geflogen und anschließend dann ins Stadion gefahren. Wir haben uns das Spiel angeguckt und dann abends noch kräftig mitgefeiert. Und am nächsten Tag sind wir wieder zurück in den Urlaub.

Können Sie sich das schon vorstellen, dass Sie hier irgendwann hinkommen und die Tribüne ist nicht mehr da? Was löst der Gedanke daran in Ihnen aus?

Vorstellen kann ich mir das nicht. Aber, wenn es dann mal so ist, dann muss man es eben akzeptieren. Wenn Sie fünf Mal mit dem Kopf gegen die Wand rennen, dann haben Sie nur Ihren Kopf beschädigt, aber die Wand steht trotzdem noch.

Sie werden sich also nicht kurz vor Abriss hier an die Stühle ketten?

Das weiß ich nicht, welche Aktionen da unter Umständen vorgesehen sind (lacht). Kann alles möglich sein. Aber im Leben muss man halt viele Kompromisse eingehen. Irgendwann muss man sich auch eingestehen: So, jetzt haben wir alles getan. Es ging nicht mehr, es gibt keine andere Entscheidung, wie vielleicht bei dem Negativbeispiel Abriss der Tribüne. Und dann müsste man es eben akzeptieren. Alles andere hat ja keinen Sinn. Aber, wie gesagt: Wir werden im letzten Drittel, wie beim Eishockey, unter Umständen mit Penalty-Schießen, werden wir alles nochmal versuchen. Und vielleicht landen wir einen glücklichen Treffer.

4 Kommentare

Manfred David

Sehr geehrte Damen und Herren,
eine marode, alte Fussballtribüne soll ein Kulturgut sein?
Es sollten die alte Gedanken, Mauern und Ewiggestrigen eher Platz für etwas Neues machen!
Die Wahl ist doch ganz einfach :
Kunstrasen für Verein und Nachwuchs oder Erhält der Tribüne und Gründung eines VfR Bürstadt Museums.

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Jonas

Hallo Herr David,
ich würde das gar nicht so schwarz/weiß sehen. Warum das eine oder das andere? Warum nicht beides? Es geht ja gar nicht darum, Neues zu verhindern und Fortschritt zu verweigern. Es geht darum, Bestehendes und Liebgewonnenes in des neue zu integrieren. Und ich denke, dass, wenn da ein Wille wäre, auch ein Weg bestünde.

Mein Ansatz ist: Der Reiz des Fußballs besteht nunmal zu einem guten Teil auch aus Emotionen und Erinnerungen. Und an dieser Tribüne hängt für viele beides. Und deshalb ist die Tribüne ein Erinnerungsort und damit Teil der örtlichen Erinnerungskultur. Also Kulturgut. Warum also nicht darum kämpfen?

Viele Grüße
Gotthilf Habedurst

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Manfred David

Hallo Herr “Habedurst”,
mein Beitag hat mit Schwarz/Weiß Seherei nichts zutun!
Es ist einfach die Wahl, die der VfR hat!
Wenn natürlich viele (Menschen?) an der Tribüne und den Erinnerungen gelegen ist, sollte ein Verein zum Erhalt des Fankulturgegenstandes gegründet werden.
Warum gibt es diesen eigentlich noch nicht?
Eigenkapital sammeln, Sponsoren suchen, Unterschriften sammeln….
Den Erhalt der Tribüne im Sportpark zu finanzieren sprengt bekanntlich den Rahmen der vorhandenen Finanzmittel. Es gibt auch noch weitere Vereine, die Ansprüche und Wünsche haben.
Nur wenige hundert Meter von der VfR Tribüne stand einmal eine international bekannte Radrennbahn mit der auch viele Erinnerungen verknüpft waren und sind.
Diese musste auch, weil sie nicht mehr zeitgerecht und finanzierbar war, abgetragen werden.
Vielleicht sollte man sich daran ein Beispiel nehmen und ein Sportareal nicht nur für Viele, sondern für Alle schaffen

Antworten
Jonas

Hallo Herr David,
das sind gute Ideen, die Sie da hervorbringen. Ein Verein zum Erhalt, der private Förder- und Sponsorengelder sammelt, wäre sicherlich ein probates Mittel.

Ich verstehe ja Ihre Argumentation und die ist auf der Vernunftebene sicher auch schlüssig. Aber beim Fußball spielen für viele Menschen Emotionen, wie Nostalgie, Erinnerungen und Sehnsucht eine große Rolle. Das ist für viele Menschen ein Alltags-Fluchtpunkt. Und wenn man ihnen diese Dinge in Form von Erinnerungsstücken nimmt, sorgt das für Unbehagen und den Drang, diese Dinge erhalten zu wollen. Ich finde, das Ansinnen dieser Leute, zu denen ich mich auch zähle, sollte in gewissem Umfang auch gehört und ernst genommen werden.

Ich denke, dass der VfR Bürstadt jetzt am Zug ist, die Argumente für den Erhalt der Tribüne zu sammeln und das Ganze auch zu organisieren. Vielleicht kommen ja private Gelder zusammen.

Viele Grüße und besten Dank für die angeregte Diskussion.

Gotthilf Habedurst

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