Zu Gast bei: SV Asbach Bad Hersfeld gegen SpVgg Hosenfeld // Gruppenliga Fulda // ca. 100 Zuschauer // Endstand: 0:1
“Sie wollen nach Asbach…?”
…Na dann viel Spaß beim Laufen!”, kicherte mich ein graumelierter Herr am Bad Hersfelder Bahnhof an. Was klang, wie Hohn und Spott sollte sich im Verlauf der Wanderung aber als absoluter Gewinn entpuppen. Denn ich hatte genug Zeit eingeplant und Bad Hersfeld bietet eine hübsche Kulisse, die es wert ist, sie mit offenen Augen zu durchschreiten. Bei einer knappen Stunde Fußweg (5,3 km) sieht man viel: Ob den in hellen Farben strahlenden Kurpark oder die stumpfe, flach abfallende Hügellandschaft Osthessens. Bad Hersfeld ist ein Idyll.
War der Architekt besoffen, oder hat er einfach nur Humor?
Warum nimmt man überhaupt den weiten Weg nach Asbach auf sich? Erst recht, wenn man weiß, dass der Ort mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu erreichen ist? Die Antwort ist ganz einfach: Das Stadion des SVA ist derartig skurril und einzigartig gebaut, dass ich es mir unbedingt ansehen wollte. Da wäre zunächst die VIP-Tribüne, die auf dem Dach des Vereinsheims gebaut wurde. Drei Sitzreihen in luftiger Höhe. Dort oben thront man über dem Spielgeschehen. Man genießt einen herrlichen Überblick übers gesamte Spielfeld. Daneben schließt sich nahtlos eine Tribüne mit ebenfalls drei Reihen Sitzbänken an. In der Mitte sitzt der Stadionsprecher in seinem kleinen Häuschen. Über beide Längsseiten erstrecken sich jeweils zwei Stehstufen. Hinter dem gegenüberliegenden Tor rundet ein fünfstufiger Stehrang diese besondere Fußballstätte ab. Wenn man sich all das anschaut, fragt man sich unweigerlich: “War der Architekt besoffen, oder hat er einfach nur Humor?” So unkonventionell ist selten ein Stadion erbaut worden.
Das kleine Asbach kommt ganz groß raus
Asbach ist klein, aber sein Fußballverein bescherte dem 1500-Seelenort überregionale Bekanntheit. 1958 erschien der SV Asbach erstmals auf der größeren Fußball-Landkarte . Da stieg die erste Mannschaft in die 1. Amateurliga Hessen auf. Das siegreiche Team hörte auf den Namen “Fey-Elf”. Immerhin gehörten gleich fünf Spieler der örtlichen Fußballfamilie Fey zu den Säulen des SV Asbach. “Die noch lebenden Feys sind heute Ehrenmitglieder in unserem Verein!”, sagt Carmen Seitz, die als Stadionsprecherin schon seit Jahrzehnten ganz nah dran ist am Asbacher Fußball. Das Kapitel “Höchste Amateurspielklasse” musste damals nach nur einer Saison wieder geschlossen werden.
Das nächste goldene Zeitalter sollte für den SVA erst Anfang der 90er beginnen. 1993 stiegen die Asbacher in die Landesliga auf. 1998 war das Dorf im Amateurfußballhimmel angekommen. Der Aufstieg in die Oberliga Hessen war perfekt.
Merke: Lilien blühen in Asbach nicht
Es winkten zwei Spiele gegen Darmstadt 98, bis heute wohl die größten Fußballtage der Asbacher Vereinsgeschichte. “Da herrschte der Ausnahmezustand hier im Ort.”, erinnert sich Carmen Seitz. “Es waren
3.000 – 4.000 Zuschauer hier. Die berittene Polizei von Bad Hersfeld musste Alles ordnen. Das größte Problem war, dass Asbach da schon nicht mehr regelmäßig mit dem Zug angefahren wurde. Also kamen viele Darmstadtfans mit dem Zug nach Bad Hersfeld und die sind dann die restlichen fünf Kilometer über den Fahrradweg nach Asbach gelaufen. Hier im Stadion standen die Leute in Dreier- und Viererreihen um das Spielfeld. Das war ne tolle Zeit damals.”, berichtet Seitz mit leuchtenden Augen. Auch Hartmut Wenzel, Sportreporter der Hersfelder Zeitung erinnert sich lebhaft an jenen Tag im Jahr 1998: “Die Polizei musste damals mit der “Grünen Minna” (Gefängniswagen) anrücken. Die Lilienfans waren zu der Zeit berüchtigt.” Oberligaspiele brachten damals aber vor allem noch eine positiven Aspekt mit sich, weiß Carmen Seitz: “Das Fernsehen: In der Spielfeldmitte war der Kameraturm aufgebaut. Wir bekamen damals so um die 10.000 DM Fernsehgeld pro Spiel. Das war natürlich toll für unseren kleinen Verein!” Das Spiel gegen den “großen” SV Darmstadt gewannen die Asbacher mit 2:1. Auch beim Auswärtsspiel am Böllenfalltor konnte das Fußballdorf einen Punkt entführen. In dieser Zeit wollten Alle in der Region “Asbach” sein. Auch die Stadt Bad Hersfeld sicherte sich ihren Anteil am Erfolg ihrer Stadtteilkicker. Für die Unterstützung der öffentlichen Hand und bessere Vermarktungschancen wurde der Vereinsname in SV Asbach Bad Hersfeld geändert.
DDR-Importschlager als Erfolgsgaranten
Möglich gemacht hatten den Erfolg nicht nur die örtlichen Sponsoren und hervorragende Trainer. Auch einige Ost-Importe haben ihren Beitrag zum Erfolg des SV Asbach beigetragen. Der Vorsitzende und Sponsor Dirk Bodes erkannte in den Jahren 1989/90 die Zeichen der Zeit. Als der eiserne Vorhang durchlässig wurde, wagte sich der umtriebige Unternehmer über die nahe Grenze nach Thüringen. Kurz hinter Zaun und Stacheldraht spielte mit der BSG Aktivist Kali Werra Tiefenort ein gestandener DDR-Zweitligist mit hervorragend ausgebildeten Vollzeitfußballern. Deren Problem war nur, dass sie durch die Wende und die Abwicklung ihres Trägerbetriebes keinen Job mehr hatten. Diesen Umstand haben sich Dirk Bodes und die Asbacher zu nutze gemacht. “Wir konnten damals mit Arbeitsplätzen und der Aussicht auf überregionalen Fußball so Spieler, wie Heiko Adler und Mike Lindemann für den SV Asbach begeistern.”, erinnert sich Carmen Seitz. Heiko Adler ist zum Beispiel in der bekannten Fußballschule in Jena ausgebildet worden. “Für die war das ja kein Weg von Tiefenort hier zu uns nach Asbach. Und die haben uns super weitergeholfen. Sportlich und menschlich waren die Jungs echt eine Bereicherung. Noch heute haben wir einen guten Kontakt!”
In der Oberliga hielten sich die Jungs vom Dorf zwei Saisons. Dann begann eine wechselhafte Zeit, in der unter anderem Weltmeister Uwe Bein seine Karriere beim SVA ausklingen ließ. Nach einigen Jahren Landesliga (heute Verbandsliga Nord), gab es 2009 nochmal ein Wiedersehen in der Oberliga. Von da an ging es aber stetig bergab.
Bonjour Tristesse?
Die Gegenwart der Asbacher spielt sich in der siebtklassigen Gruppenliga ab. Und selbst da scheint die Talfahrt noch nicht endgültig gestoppt zu sein. In der vergangenen Saison konnten die Asbacher einem weiteren Abstieg durch eine Aufholjagd in der Rückrunde noch knapp entrinnen. Aber auch in der laufenden Saison 2017/18 scheint der Klassenerhalt alles andere als sicher. Das Geld ist nicht mehr so da, wie noch zu Glanzzeiten. Die Sponsoren interessieren sich nicht mehr so für den SVA. “Wir sind trotzdem stolz auf unsere Truppe. Das sind alles Jungs von hier, sogar unser Trainer kommt aus dem Ort.”, so Carmen Seitz.
Von höheren Weihen können die Asbacher dieser Tage nur träumen. Ziel muss es sein, dass die junge Mannschaft zusammenbleibt, sich weiter einspielt und mit dazugewonnener Erfahrung wieder oben angreifen kann. Kurzfristiges Ziel sollte allerdings der Erhalt der Gruppenliga sein. Das wird angesichts der mauen Tabellensituation sehr schwer.
Ich würde den Asbachern den Klassenerhalt gönnen. Ich wurde mehr als nur freundlich dort aufgenommen. Die Vereinstreuen haben mir mit großer Offenheit Alles erzählt, was ich über ihren Verein wissen wollte. Sie haben mich an ihrer Leidenschaft, aber auch Leidensfähigkeit für ihren SVA teilhaben lassen. Sie haben mir das Innenleben ihres tollen Stadions gezeigt. Sie haben mich zum Bier nach dem Spiel eingeladen. Und zum Schluss ersparte mir einer der Spieler noch den Fußweg zurück nach Bad Hersfeld, indem er mich mit dem Auto zum Bahnhof fuhr.
Für mich bleibt das Fazit: Ich habe einen hochinteressanten Verein, mit spannender Geschichte und einem unverwechselbaren Stadion kennengelernt. Jedem Menschen, in dem das Groundhopperherz schlägt, empfehle ich einen Besuch in Asbach. Und dem graumelierten Herrn am Hersfelder Bahnhof möchte ich zurufen: “Ich hatte viel Spaß. Nicht nur beim Laufen.”
Links:
Der SVA im Lokalsport der Hersfelder Zeitung
Das Profil des SVA Bad Hersfeld auf Torgranate.de
Die Facebookseite des SVA
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