Das Riesaer Zahlenmysterium – warum der BSG Stahl Punkte abgezogen wurden

“Stahl Riesa minus 2 Pluspunkte, plus zwei Minuspunkte Abzug (ungenehmigtes Trainingslager)” – mit dieser Anmerkung haben die Autoren des allumfassenden Ost-Almanachs “Die Geschichte der DDR-Oberliga” Viele von uns ratlos zurückgelassen. Sogar die Facebook-User von “Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs” haben mitgerätselt. Bleibt nur die Frage: Warum eigentlich hat die BSG Stahl Riesa in der Oberligasaison 1973/74 zwei Punkte abgezogen bekommen? Oder wurden doch Punkte aufaddiert? Groundblogging klärt auf:

Und darum ging’s (siehe Bild):

Einfach gesagt: Komplizierter kann man nicht formulieren, dass einem Team zwei Punkte abgezogen werden. Denn nichts Anderes bedeutet dieser verwirrungstiftende Satz. Mathematiker, die schon die Formelsammlung rausgekramt haben, können diese jetzt also wieder beruhigt zur Seite legen. Wie kommt es aber zu diesem Satz? Das liegt vor Allem daran, dass in Zeiten, in denen noch nach der Zwei-Punkte-Regel gespielt wurden, auch die Minuspunkte – also die verlorenen Punkte – mitgezählt wurden. Für einen Sieg gab es also 2:0 Punkte, für eine Niederlage 0:2. Die zwei Punkte, die der BSG Stahl Riesa also abgezogen wurden, wurden auf der Negativseite addiert. Beispiel: Aus 2:0 Punkten werden also 0:2.

Das Stadion der Stahlwerker “Ernst Grube” in Riesa. Die imposante, freitragende Haupttribüne steht wohl kurz vor dem Abriss.

Jetzt bleibt nur noch die Frage nach der Begründung: Ungenehmigtes Trainingslager? Dafür habe ich mit Manfred Dönicke gesprochen. Der war in den 70er Jahren Stadionsprecher im Riesaer Stadion, das auf den DDR-typischen Namen Stadion der Stahlwerker “Ernst Grube” hört. Dönicke war damals ganz nah dran an der damaligen Erstligamannschaft der BSG Stahl Riesa. “Wir Betriebssportgemeinschaften waren immer schon das Schmuddelkind für Politik und Verbände in der DDR. Deshalb hat man uns zum Beispiel auch fast nie Trainingslager genehmigt. Sowas war natürlich immer anzumelden. Wir hatten gehört, dass andere, normale Clubs auch fürs Training mal weggefahren sind. So haben wir’s dann einfach versucht und wollten uns ein Trainingslager in Johanngeorgenstadt im Erzegbirge genehmigen lassen. Aber natürlich wurde das abgelehnt. Da waren wir dann etwas verärgert. Aber wir sind dann heimlich ins Erzgebirge gefahren und haben unser Trainingslager da abgehalten. Wie es in der DDR dann eben so war, sind wir verpfiffen worden. Ich weiß auch von wem, aber ich nenne keine Namen. Am Ende mussten wir dann die zwei Punkte Abzug in Kauf nehmen. Gott sei Dank war die Saison so solide, dass wir dadurch nicht in Abstiegsnöte geraten sind!”

Aber warum waren die Betriebssportgemeinschaften nicht besonders gut gelitten?
Für den Spitzensport, mit dem die DDR auf der großen Weltbühne auf sich aufmerksam machen wollte, wurden sogenannte Sportclubs gegründet. Die wurden dann besonders gefördert, um sportliches Renommee für den Staat zu erlangen. Daneben standen die Betriebssportgemeinschaften dann oft ziemlich im Regen. Noch heute reden viele alteingesessene BSG-Anhängern davon, dass es häufig dubiose Schiedsrichterentscheidungen zugunsten der Clubs gegeben habe. Vermutlich mit dem Ziel, die Sportclubs nach oben zu hieven. Die sollten der DDR dann auf internationaler Ebene Ruhm einbringen. Manfred Dönicke von der BSG Stahl Riesa sagt: “Ich wollte als Betreuer mal neue Torwarthandschuhe bestellen. Welche, die einfach griffiger sind. Die sind uns aber nicht zugeteilt worden. Bei anderen Clubs hat man sie dann gesehen.” 

Und jetzt noch das Update für alle Hopperfreunde:
Laut Manfred Dönicke soll das Stadion der Stahlwerker “Ernst Grube” erhalten bleiben. “Der Verein braucht dringend Trainingsplätze. Und das Grube-Stadion liegt halt direkt am Riesaer Bahnhof. Das ist ein Punkt, mit dem der Verein Jugendliche aus dem Umland dazu bewegen kann, hier zu uns zu kommen. Das hat auch der Bürgermeister der Stadt, der das Stadion gehört, erkannt. Deshalb soll der Platz beibehalten werden. Die Stadt will wohl auch den Rasen instandhalten, damit die Jugendlichen hier trainieren können. Allerdings besteht für die Tribüne kaum noch Hoffnung. Die ist so runtergekommen, dass sie wohl demnächst abgerissen wird. Wann das sein wird, weiß aber noch Niemand.” Die erste freitragende Tribüne der DDR-Geschichte wird wohl selbst bald Geschichte sein. Fußballnostalgiker verlieren dann einen Anziehungspunkt auf der Landkarte charmanter Tribünenbauwerke.

Links:
BSG STAHL RIESA – offizielle Website
Das Online-Statistikwerk für Alles rund um die BSG
Die Sächsische Zeitung über das Grube-Stadion

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