“Insgeheim hoffe ich, mal die Aufstiegs-Ansagen machen zu dürfen”

Der durchschnittliche Kreisliga-Stadionsprecher ist ein älterer Herr mit Schiebermütze und Schreibmaschinenduktus. Er sagt mit hölzernem Charme so Sätze wie: „Wir wünschen dem Spiel einen sportlich-fairen Verlauf“, oder „Schiedsrichter heute ist der Sportskamerad Meier aus Quetschebimbach“. So kennt das Gotthilf aus mannigfaltiger Erfahrung und irgendwie ist es ja auch ganz nett. Als Habedurst und sein Reisebegleiter Tobi nun zum abendlichen Kreisligavergnügen ins rheinhessische Guntersblum fuhren und das frisch geparkte Auto verließen, waren sie allerdings überrascht, dass eine Frauenstimme die Mannschaftsaufstellungen verlas. Auch, wenn das eigentlich nichts besonderes sein sollte, so klingt es doch immer noch außergewöhnlich. Anja ist wohl auch heute noch eine Seltenheit

Die warme und freundliche Stimme aus den Boxen sorgte jedenfalls für Neugier. Und so kam es, dass Gotthilf und Tobi die Person hinter der Stimme kennenlernen durften. Anja Meindl ist 27 Jahre alt und arbeitet hauptberuflich bei der Ausländerbehörde der Stadt Mainz. Sie ist in der zweiten Saison Stadionsprecherin beim Kreisligisten SV Guntersblum. Dem Verein ist sie aber in verschiedenen Positionen schon seit mehreren Jahren tief verbunden. Anja Meindl ist eine wahre Fußball-Enthusiastin. Das offenbarte sich in Gotthilfs Gespräch.

Anja, wie bist du zu dem Job als Stadionsprecherin gekommen?
Das war zu der Zeit, als wir die neue Lautsprecheranlage bekommen haben. Die haben wir durch die Ehrenamtsförderung finanziert. Da war ich im Vorstand des Vereins aktiv und habe auch mitbestimmt, was wir von dem Fördergeld anschaffen. Ich habe damals auch mit der 1. Vorsitzenden zusammen den Förderbescheid entgegengenommen. Dann wurde die Lautsprecheranlage hier installiert. Und dann hing die da. Aber wer sollte die bedienen? Früher bei der alten Anlage hatten wir auch schon einen Stadionsprecher. Das war ein älterer Herr, wie das ja normal so üblich ist. Ich hatte dann aber so ne Art Eingebung, die mir gesagt hat: Stadionsprecher – das könnte ich doch eigentlich mal ausprobieren in so ein Mikrofon reinzusprechen. Und jetzt ist das schon meine zweite Saison.

Anja Meindl an ihrem Arbeitsplatz im Vereinsheim.

Hattest du denn schon Vorerfahrung in puncto „Sprechen vor Menschen“?
Nein, gar nicht. Aber ich habe mich direkt vom ersten Mal an gut vorbereitet. Ich setze mich hier nicht hin und rede da so frei drauf los, sondern bereite mich auch auf das Spiel vor. Ich schreibe mir zuhause immer schon was zusammen, zum Beispiel die ganzen Infos vom Gegner, wie Tabellenplatz, Punkte, Tore und so weiter. Damit ich einfach ein bisschen was erzählen kann. Und das hört man dann auch als Feedback von den Zuschauern: Die wollen gerne Informationen zum Spiel. Die wollen aber auch die Infos darüber, wann wir wo als nächstes spielen. Und die wollen auch hören, welche Namen und Personen auf dem Platz stehen. Und deshalb ist es auch wichtig, dass das Jemand macht.

Wenn man gut und gerne vor Menschen sprechen kann, ist man ja wahrscheinlich eher vom Typ „Rampensau“. Passt das so charakterlich zu dir?
Also eine Rampensau war ich in der Vergangenheit gar nicht. Da war ich eher so der schüchterne Typ. Aber berufsbedingt habe ich im Ausländeramt ja viel mit der Kundschaft und den Bürgern zu tun und da ist es ja auch eine Grundvoraussetzung, dass man gut mit Menschen kommuniziert. Und so ist das dann auch immer mehr gekommen, dass ich extrovertierter geworden bin. Und mittlerweile fühle ich mich in der Rolle des Stadionsprechers richtig wohl. Beim ersten Mal habe ich noch gezittert wie Espenlaub, aber mittlerweile geht es lockerer durchs Mikro. Und das macht richtig Spaß.

Wieviel Zeit investierst du in die Vorbereitung?
Nicht so viel. Ich setze mich meistens einen Tag vorm Spiel hin. Und die Vorbereitung geht mir dann schnell von der Hand.

Vom Fenster im Vereinsheim aus genießt Anja einen guten Überblick über das gesamte Spielfeld.

Und wie war das so, als du dann zum ersten Mal hier vor Publikum geredet hast? Als du auch das erste Mal deine Stimme über die Anlage gehört hast?
Das fand ich gar nicht so schlimm, weil ich mir anfangs Wort für Wort vorgeschrieben und dann abgelesen habe. Mittlerweile wird es immer freier. Ich mache mir meistens nur noch Stichworte. Nur bei Spielernamen gerate ich manchmal noch so ein bisschen ins Wanken. Und dann habe ich auch manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen Namen nicht so richtig ausspreche.

Und was bekommst du so für Rückmeldungen von den Leuten?
Also das Feedback fällt größtenteils sehr positiv aus. Gerade letzten Sonntag, als wir gegen den Tabellenführer gewonnen haben. Da waren alle begeistert. Da habe ich natürlich mit großer Freude die Tore durchgesagt. Witzig war auch das Spiel in der vergangenen Saison gegen Mainz-Finthen. Es war sehr kalt. Und es war insgesamt ein richtig schlechtes Spiel. Und da kam ich dann nach dem Abpfiff runter ans Feld. Da hat mich dann auch der Schiedsrichter drauf angesprochen, ob ich denn diejenige gewesen wär, die die Durchsagen gemacht hat. Und als ich dann „Ja“ gesagt habe, meinte er: Die Durchsagen wären ja das schönste am ganzen Spiel gewesen. Das war schon ein bisschen lustig.

Und wie kommt deine Moderation bei eurer Mannschaft an?
Ganz gut, denke ich. Ich hatte jetzt neulich erst mit dem Mannschaftskapitän geschrieben, weil ich jetzt hier jetzt das Programm ein bisschen ausbauen will. Zum Beispiel mit Musik vom Laptop. Ich habe mir überlegt, dann auch Musik zum Torjubel einzuspielen und auch eine Einlaufhymne wäre schön. Da sollen sich die Jungs mal ein paar Gedanken machen. Und das fänden die ganz cool. Und natürlich denke ich, dass die das schon auch mögen, wenn die ihre Namen durch den ganzen Ort schallen hören, wenn sie ein Tor geschossen haben.

Fühlt sich das für dich besonders an, dass du eine von wohl nur wenigen Frauen bist, deren Stimme man als Stadionsprecherin bei einem Herren-Fußballverein hört?
Ich sehe das nicht als was besonderes, weil ich auch schon ewig Teil dieses Vereins bin. Ich war auch insgesamt schon sechs Jahre lang im Vorstand. Ich bin hier groß geworden, weil mein Vater hier auch lange Betreuer der ersten Mannschaft und Jugendtrainer war. Von daher gehöre ich einfach dazu und sehe mich als Teil des Ganzen und finde das auch nichts außergewöhnliches.

Wie interpretierst du denn deine Rolle als Stadionsprecherin? Eher sachlich, eher emotional? Eben bei der Abmoderation nach dem Abpfiff habe ich zum Beispiel gehört, dass du nochmal beruhigende Worte gewählt hast.
Wenn es wirklich auf dem Platz eskaliert, muss ich schon sehen, dass ich sachlich bleibe und am besten gar nichts dazu sage, um nicht noch Öl ins Feuer zu gießen. Da gab es auch im vergangene Jahr einen Vorfall, wo dann auch bei einer Gerichtsverhandlung als Zeugin aussagen musste. Es ist wirklich so, dass das, was auf dem Platz passiert, auch auf dem Platz bleiben sollte. Aber natürlich sehe ich mich in der Pflicht, wenn ein Zuschauer auf den Platz stürmt, dass ich dann eine Durchsage mache, nach dem Motto: „Auf dem Platz haben nur der Schiedsrichter und die Spieler etwas zu suchen.“ Aber eigentlich sollte das Ganze, relativ sachlich bleiben. Es sei denn, wir schießen ein Tor. Dann darf es auch schon mal emotionaler werden.

Was war so dein schönster Moment in der Stadionsprecher-Laufbahn?
Weil meine erste Saison ja auch gleichzeitig unsere Abstiegssaison war, gab es da noch nicht so die Hammer-Momente. Ein ganz schöner Moment war aber vergangene Woche, als wie hier gegen den damaligen Tabellenführer gewonnen haben. Und natürlich hoffe ich insgeheim, dass wir mit der ersten Mannschaft irgendwann wieder in die Bezirksliga aufsteigen können und dass ich da dann auch ein Teil davon sein darf. Am besten wäre, wir würden bei einem Heimspiel die Meisterschaft perfekt machen und ich dürfte dann die entsprechenden Ansagen machen.

Hast du dir dafür schon Sätze zurechtgelegt?
Nein, das habe ich noch nicht. Das wäre dann ein hochemotionaler Moment. Da kommen die Sätze dann ganz spontan.

Ist Fußball das prägende Hobby in deinem Leben?
Kann man schon sagen. Gerade in der Zeit, in der ich im Vorstand war, ist das ja auch ein zeitintensives Hobby. Wir als kleiner Verein vom Lande finanzieren uns zum größten Teil selbst. Das heißt, diese Arbeit hier im Verein hat nicht nur rein was mit Fußball zu tun, sondern wir organisieren ja auch Veranstaltungen. Wenn Hilfe gebraucht wird, bin ich auch immer am Start. Von daher ist das Engagement hier im Verein eine sehr vielschichtige Angelegenheit. Ich war Schriftführerin, weil ich immer schon gerne auch geschrieben habe. Das lag dann nah und das kommt mir jetzt auch zu Gute, wenn ich mir hier meine Moderationen schreibe.

Also: Da hab ich schon das Gefühl, dass du emotional hier im Verein ganz tief drinsteckst. Wie ist die Laune, wenn’s für Guntersblum dann mal ne Niederlage gibt?
Meine Laune und die meines Vaters sind nach einem vergeigten Spieltag nicht gut. Wir versuchen dann irgendwann das Thema zu wechseln.

Das heißt, deine Verbindung zum Fußball und zum SV Guntersblum ist familiär vorgeprägt. Wie ist sonst deine Verbindung zum Fußball? Gehst du auch sonst ins Stadion zum Profifußball?
Ich bin natürlich hier in Guntersblum sehr verwurzelt. Und dann bin ich ebenfalls durch die familiäre Prägung großer FC Bayern-Fan. München ist natürlich weit weg und da gibt es nicht immer so die Möglichkeit ins Stadion zu gehen. Aber wenn Bayern in Frankfurt oder Mainz spielt, sind wir immer mal wieder dabei. Also das verfolgen wir sehr intensiv.

Wenn jetzt Bayern in Mainz spielen würde und zeitgleich der SV Guntersblum. Wo bist du dann?
Wahrscheinlich hier beim SV Guntersblum. Zum einen gefällt mir das Stadion in Mainz nicht so gut. Und für das Nervliche wäre es dann auch besser, wenn ich Bayern dann im Liveticker verfolge.

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